Meine Lieblingsmomente auf allen Reisen, egal wo, sind die stillen.
Wir hatten uns wirklich viel zu erzählen, eine interessante Gruppe war da unterwegs, mit schönen Geschichten und lustigen, mit spannenden und traurigen, alles war dabei. Der Salon brummte vor Stimmen wie ein Bienenhaus, sobald wir an Bord waren.
Wenn wir wanderten, plapperten und plapperten wir. Wir lachten viel, manchmal stolperte auch jemand über seine Schneeschuhe oder Beine oder Stöcke und fiel hin, und dann lachten wir noch mehr. Miteinander, natürlich, nicht übereinander.
Elche sahen wir keine. Wichtel auch nicht. Ihre Spuren sahen wir zahlreich, kleine Tapser und riesige Stampfer. Aber die Tiere, die diese zarten und mächtigen Zeichen in den Schnee malten, die sahen wir nicht. Wir lachten ihnen zu viel.
Aber als wir ein bisschen höher hinaufstiegen, vom Meer weg, in den Wald hinein, und dann auf einer Lichtung standen und auf weiße Berge und schwarzes Wasser schauten, auf pastellrosa Wolken und orange leuchtenden Himmel – dann wurden doch auch wir mal ruhiger. Und staunten unsere schöne Welt an. Den Winter. Die Farben. Die Berge. Den Schnee, der die Zweige der Bäume tief nach unten bog.
Wir blieben alle stehen, wo wir waren. Plauderten nicht mehr, bewegten uns nicht mehr. Der knirschende Schnee schwieg genauso wie unsere raschelnden Jacken. Ruhe, eine wundervolle Ruhe senkte sich über uns, und wir hörten ihr zu. Die Brandung des Meers drang zu uns herauf. Das Streichen des Windes in den hohen Bäumen, die sich sanft zu wiegen begannen. Ein Baum knarrte. Mit einem Rauschen fiel schwerer Schnee von einem Ast, mit einem dumpfen Wumps kam er am Boden an.
Wir blickten uns um, in unserer schönen, wunderschönen Welt. Der man es hier nicht ansah, dass es Grenzen gab und Kriege, Unfrieden und Tod. So pastellfarben färbte sich der Himmel, dass man nicht glauben mochte, dass es etwas anderes gab als diesen wilden, sanften, rosa Frieden. Momente wie diese behalte ich von den Reisen und ich hoffe, auch all unsere Mitreisenden. Wenn vor Weihnachten alle, aber wirklich alle alles noch vor dem 23. fertig haben wollen, wenn die Ohren zu summen beginnen, die Liste der Pflichten immer noch länger wird. Dann denke hoffentlich nicht nur ich an diese Stille zurück.
Die Stille, die wir dieses Jahr auf Spitzbergen hören durften, an einem warmen Augusttag, an dem sich alle auf den Boden legten, in den Himmel schauten, über den Fjord. Gar nicht mehr aufstehen wollten wir, die Sonne wärmte uns so sanft.
Die Stille, die wir vor kurzem in Norwegen hören durften, voller Freude und Ehrfurcht und Angefülltheit von den Begegnungen mit Walen, dem Beobachten von Nord- und Abend- und Morgenlicht.
Die Natur hat uns auch dieses Jahr wieder wunderschöne Momente geschenkt. Sie hat uns eingelassen, bestehen lassen, Wunderschönes erleben lassen. Ein bisschen von der Stille nehmen wir uns nun hoffentlich mit in die kommenden Feiertage, so sehr sie auch mit Lachen und Frohsinn gefüllt sein mögen. Ein bisschen Stille, ein bisschen Ankommen, ein bisschen Bei-Sich-Sein. Und wenn alles einmal zu viel wird, dann schließen wir einfach wieder die Augen und denken an die Stille, den Frieden, die Schönheit unserer Welt.
Ich wünsche Euch eine schöne Weihnachtszeit und alles Liebe und Gesundheit für das kommende Jahr.
Wir lesen uns im Januar!
Polare Grüße,
Eure
Birgit Lutz

