Ein
Forschungsteam hat das phänomenale Fell der Eisbären genauer unter die Lupe
genommen und Erstaunliches festgestellt: Das Bärenfell kann etwas, was bislang
meist nur mit dem Einsatz gefährlicher Ewigkeitschemikalien erreicht wird.
Eisbären
sind gewichtige Wunderwerke der Natur, so viel steht schon lange fest. Vor
allem die Weibchen schaffen es in der unwirtlichsten Gegend der Welt immer
wieder, monatelang zu hungern und dabei noch Junge zur Welt zu bringen und zu
ernähren.
Forscherinnen
und Forscher haben sich aber nun einmal das Fell der Eisbären genauer
angeschaut. Denn dieses Fell muss ja recht leistungsfähig sein, wenn man berücksichtigt,
was Bären so alles treiben: Sie schwimmen, tauchen, wälzen sich im Schnee, und
das alles bei sehr kalten Temperaturen. Uns Menschen vereisen ja schon die
Wimpern und Barthaare, wenn wir in der Kälte nur zu viel gegen den Wind atmen. Der
Bär aber schüttelt sich nach seinen Bädern ausgiebig, wälzt sich ein bisschen
im Schnee und weiter geht’s. Da verklebt und vereist gar nichts. Warum ist das
so? Und kann man da vielleicht was lernen, von der Natur? Eine spannende Frage.
Dieser
Frage ist nun ein Forscherteam nachgegangen, das nach einiger Zeit auch
beantworten konnte, wodurch das Fell so geschmeidig bleibt: Es liegt an dem
speziellen Talg, den die Bären aus Drüsen in der Nähe der Haarwurzeln in ihr
Fell abgeben. Dieser Talg beinhaltet unter anderem Cholesterol und Eicoansäure
– an denen Eis genauso wenig kleben bleibt, wie an den Ewigkeitschemikalien Per-
und Polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS).
Ist das was
besonderes? Enten bleiben ja auch nicht am Eis pappen. Es gibt wohl durchaus
noch Unterschiede: Die Forschenden hatten nämlich damit gerechnet, Squalen zu
finden, einen Kohlenwasserstoff, der im Talg von Wassersäugetieren wie
Seeottern vorkommt. Dieser Stoff ist aber im Eisbärentalg gar nicht enthalten.
Also probierten die Wissenschaftler aus, wie Squalen so mit Eis umgeht, und
stellten fest: Es klebt am Eis. Und drum lässt der Eisbär das wohl lieber mal
weg.
Wer sich für diese Studie interessiert, sie ist hier zu finden:
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.ads7321
Was ist
daran nun so interessant?
In den
vergangenen Jahren ist recht offensichtlich geworden, dass wir uns viele
angenehme Eigenschaften von Dingen mit vielen schwerwiegenden Folgen erkauft
haben: Dass das Fleisch nicht an der Pfanne, die Pizza nicht am Karton klebt,
das liegt unter anderem an den PFASen – Stoffen in Beschichtungen, die
antihaftend wirken. Das ist die gute Seite, die schlechte ist, dass PFASe
biologisch nicht abbaubar sind, sich im Körper anreichern und Krebs, Störungen
des Immunsystems und Fruchtbarkeitsprobleme verursachen können. Sie wurden und
werden in unzähligen Produkten wie vielen Antihaft-Pfannen (Teflon), Backpapier,
Skiwachs oder Kosmetik eingesetzt, die direkt in Verbindung mit der Haut kommen
oder bei denen die PFASs über die Nahrung aufgenommen werden.
Diese
Chemikalien sind darüberhinaus leider weltumspannend zu finden: Wiederum die
Eisbären Spitzbergens beispielsweise haben so viel PFASe in sich, wie Menschen,
die neben Chemiekonzernen in China leben. Dabei sind diese Bären ganz schön
weit weg von allem.
Eine
Alternative zu finden, könnte also ein echter Durchbruch sein, die Welt vor
diesen Chemikalien zu schützen, da doch ihre Bewohner nicht mehr auf die
Annehmlichkeiten einer nichtklebenden Pfanne verzichten werden wollen. Dass
dabei wiederum der Eisbär helfen konnte, ist geradezu eine Ironie des
Schicksals.
Interessant
ist, wie die Forschenden dabei vorgingen: Sie wuschen Eisbärfellproben und
brachten sie dann an einem Eisblock an. Selbiges taten sie mit ungewaschenem
Fell. Ergebnis: Das ungewaschene Fell ließ sich leicht vom Eis lösen, das
gewaschene klebte fest.
Die Inuit
wissen das natürlich schon lange. Wenn sie jagen gehen, bewegen sie sich oft
gedämpft mit Eisbärfell auf dem Eis, um kein Geräusch zu machen. Würde sich das
Eis bei jedem Schritt geräuschvoll lösen wie ein Klettverschluss, wären die
Robben schneller in ihren Löchern, als man „Robbe“ sagen kann.
Die
Südländer haben dieses Wissen nicht so parat und machen deswegen sogar ganz
haarige Selbstversuche: Einer der Autoren der Studie wusch sich sechs Tage lang
seine Haare nicht und rasierte sie dann ab, um dessen Haftkraft genauso wie beim
Eisbärfell zu testen. Hier war das Ergebnis aber ganz anders: Das menschliche
„Fell“ klebte am Eis in gewaschenem und talgigen Zustand gleichermaßen. Wir
müssen ja nicht angepasst sein an Meereis und Schnee.
Dieser Versuch
allerdings zeigte, dass es wohl in der Tat auf die besondere Zusammensetzung
des Eisbärentalgs ankommt, die eben anders ist als beim Menschen und anderen
Säugetieren.
Und das
gibt nun Hoffnung: Anhand dieser Erkenntnisse könnten bessere
Anti-Eis-Haft-Beschichtungen entwickelt werden, und vielleicht sogar bessere
Anti-Haft-Beschichtungen generell, die ohne die problematischen PFASe
auskommen.
Bis es
soweit ist, tun wir alle gut daran, bei Produkten darauf zu achten, dass
möglichst keine dieser PFASe verwendet werden. Besonders wichtig ist das für
Kinder und Jugendliche. Gut geht das mit App Code Check, mit der man die
Barcodes vieler Produkte einscannen kann, und die dann anzeigt, was eigentlich
drin ist, in der Tagescreme oder im Rasierschaum. Wer das mit seinen
Lieblingsprodukten mal ausprobiert, dem verspreche ich einige Überraschung.
Und die
Teflonpfannen, die sollten schon lange raus aus den Küchen. Jetzt ist ja eh
erstmal Grillsaison, hoffentlich.
Wir lesen uns im Juni!
Bärige Grüße,
Eure
Birgit Lutz