Notizen aus dem Eis 133 | Retten uns die Eisbären vor den PFASen?

Polarkolumne von Birgit Lutz

Ein Forschungsteam hat das phänomenale Fell der Eisbären genauer unter die Lupe genommen und Erstaunliches festgestellt: Das Bärenfell kann etwas, was bislang meist nur mit dem Einsatz gefährlicher Ewigkeitschemikalien erreicht wird.

 

Eisbären sind gewichtige Wunderwerke der Natur, so viel steht schon lange fest. Vor allem die Weibchen schaffen es in der unwirtlichsten Gegend der Welt immer wieder, monatelang zu hungern und dabei noch Junge zur Welt zu bringen und zu ernähren.

 

Forscherinnen und Forscher haben sich aber nun einmal das Fell der Eisbären genauer angeschaut. Denn dieses Fell muss ja recht leistungsfähig sein, wenn man berücksichtigt, was Bären so alles treiben: Sie schwimmen, tauchen, wälzen sich im Schnee, und das alles bei sehr kalten Temperaturen. Uns Menschen vereisen ja schon die Wimpern und Barthaare, wenn wir in der Kälte nur zu viel gegen den Wind atmen. Der Bär aber schüttelt sich nach seinen Bädern ausgiebig, wälzt sich ein bisschen im Schnee und weiter geht’s. Da verklebt und vereist gar nichts. Warum ist das so? Und kann man da vielleicht was lernen, von der Natur? Eine spannende Frage.

 

Dieser Frage ist nun ein Forscherteam nachgegangen, das nach einiger Zeit auch beantworten konnte, wodurch das Fell so geschmeidig bleibt: Es liegt an dem speziellen Talg, den die Bären aus Drüsen in der Nähe der Haarwurzeln in ihr Fell abgeben. Dieser Talg beinhaltet unter anderem Cholesterol und Eicoansäure – an denen Eis genauso wenig kleben bleibt, wie an den Ewigkeitschemikalien Per- und Polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS).

Ist das was besonderes? Enten bleiben ja auch nicht am Eis pappen. Es gibt wohl durchaus noch Unterschiede: Die Forschenden hatten nämlich damit gerechnet, Squalen zu finden, einen Kohlenwasserstoff, der im Talg von Wassersäugetieren wie Seeottern vorkommt. Dieser Stoff ist aber im Eisbärentalg gar nicht enthalten. Also probierten die Wissenschaftler aus, wie Squalen so mit Eis umgeht, und stellten fest: Es klebt am Eis. Und drum lässt der Eisbär das wohl lieber mal weg.

 

Wer sich für diese Studie interessiert, sie ist hier zu finden:

 https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.ads7321


Was ist daran nun so interessant?

In den vergangenen Jahren ist recht offensichtlich geworden, dass wir uns viele angenehme Eigenschaften von Dingen mit vielen schwerwiegenden Folgen erkauft haben: Dass das Fleisch nicht an der Pfanne, die Pizza nicht am Karton klebt, das liegt unter anderem an den PFASen – Stoffen in Beschichtungen, die antihaftend wirken. Das ist die gute Seite, die schlechte ist, dass PFASe biologisch nicht abbaubar sind, sich im Körper anreichern und Krebs, Störungen des Immunsystems und Fruchtbarkeitsprobleme verursachen können. Sie wurden und werden in unzähligen Produkten wie vielen Antihaft-Pfannen (Teflon), Backpapier, Skiwachs oder Kosmetik eingesetzt, die direkt in Verbindung mit der Haut kommen oder bei denen die PFASs über die Nahrung aufgenommen werden.

 

Diese Chemikalien sind darüberhinaus leider weltumspannend zu finden: Wiederum die Eisbären Spitzbergens beispielsweise haben so viel PFASe in sich, wie Menschen, die neben Chemiekonzernen in China leben. Dabei sind diese Bären ganz schön weit weg von allem.

 

Eine Alternative zu finden, könnte also ein echter Durchbruch sein, die Welt vor diesen Chemikalien zu schützen, da doch ihre Bewohner nicht mehr auf die Annehmlichkeiten einer nichtklebenden Pfanne verzichten werden wollen. Dass dabei wiederum der Eisbär helfen konnte, ist geradezu eine Ironie des Schicksals.

 

Interessant ist, wie die Forschenden dabei vorgingen: Sie wuschen Eisbärfellproben und brachten sie dann an einem Eisblock an. Selbiges taten sie mit ungewaschenem Fell. Ergebnis: Das ungewaschene Fell ließ sich leicht vom Eis lösen, das gewaschene klebte fest.

 

Die Inuit wissen das natürlich schon lange. Wenn sie jagen gehen, bewegen sie sich oft gedämpft mit Eisbärfell auf dem Eis, um kein Geräusch zu machen. Würde sich das Eis bei jedem Schritt geräuschvoll lösen wie ein Klettverschluss, wären die Robben schneller in ihren Löchern, als man „Robbe“ sagen kann.

 

Die Südländer haben dieses Wissen nicht so parat und machen deswegen sogar ganz haarige Selbstversuche: Einer der Autoren der Studie wusch sich sechs Tage lang seine Haare nicht und rasierte sie dann ab, um dessen Haftkraft genauso wie beim Eisbärfell zu testen. Hier war das Ergebnis aber ganz anders: Das menschliche „Fell“ klebte am Eis in gewaschenem und talgigen Zustand gleichermaßen. Wir müssen ja nicht angepasst sein an Meereis und Schnee.

 

Dieser Versuch allerdings zeigte, dass es wohl in der Tat auf die besondere Zusammensetzung des Eisbärentalgs ankommt, die eben anders ist als beim Menschen und anderen Säugetieren.

 

Und das gibt nun Hoffnung: Anhand dieser Erkenntnisse könnten bessere Anti-Eis-Haft-Beschichtungen entwickelt werden, und vielleicht sogar bessere Anti-Haft-Beschichtungen generell, die ohne die problematischen PFASe auskommen.

 

Bis es soweit ist, tun wir alle gut daran, bei Produkten darauf zu achten, dass möglichst keine dieser PFASe verwendet werden. Besonders wichtig ist das für Kinder und Jugendliche. Gut geht das mit App Code Check, mit der man die Barcodes vieler Produkte einscannen kann, und die dann anzeigt, was eigentlich drin ist, in der Tagescreme oder im Rasierschaum. Wer das mit seinen Lieblingsprodukten mal ausprobiert, dem verspreche ich einige Überraschung.

Und die Teflonpfannen, die sollten schon lange raus aus den Küchen. Jetzt ist ja eh erstmal Grillsaison, hoffentlich.

 

Wir lesen uns im Juni!

Bärige Grüße,

Eure

Birgit Lutz




Notizen aus dem Eis 132 | Auf der Suche nach guten Nachrichten

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