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Foto: Birgit Lutz
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Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 120 | Schneehasen

Der Schneehase kann zwar auch im hochalpinen Gelände vorkommen, ist aber auf keinen Fall mit dem Skihasen zu verwechseln!

Spaß beiseite. Heute schauen wir uns mal eine wirklich putzige Spezies an, die sich im Schnee pudelwohl fühlt, sei es in hohen Breiten oder hohen Höhen: Den Schneehasen. Er kommt überall dort vor, wo es kalt ist und Überraschung, schneit: In Skandinavien, Sibirien und im Alpenraum beispielsweise. Wobei man hier gleich festhalten muss, dass zwar allgemein vom Schneehasen gesprochen wird, wenn es um die weißen Hasen im Schnee geht, tatsächlich gibt es aber drei verschieden Arten, je nach Verbreitungsgebiet: Während der Schneehase in den Alpen vorkommt (Lepus timidus), handelt es sich bei dem in Grönland und Kanada vorkommenden Hasen um den Polarhasen (Lepus arcticus), und in Alaska und dem östlichen Sibirien gibt es den Alaskahasen (Lepus othos). Je weiter im Norden, umso größer werden die Arten, kurz gesagt.

Obwohl ich in den winterlichen Alpen schon richtig viel herum gekreucht bin, habe ich hier noch nie einen Schneehasen beobachten können – das liegt vielleicht auch daran, dass der Alpenschneehase wirklich sehr selten, und auch erst ab einer Höhe von 1300 Metern vorkommt. Er ist kleiner als ein Feldhase, seine Ohren sind kürzer, dafür hat er breitere und behaarte Pfoten, seine eigenen Schneeschuhe, sozusagen, die ihm mehr Auftrieb verleihen und im Schnee gut vorankommen lassen.

Mehrmals allerdings habe ich Polarhasen in Grönland gesehen! Eine Sichtung gelang im Herbst, als die Landschaft schon wieder verschneit war. Der gänzlich weiße Hase war kaum zu erkennen und verriet sich nur durch seine schwarzen Ohrspitzen, die er hin und her bewegte. Der Hase mümmelte an der Vegetation herum, die er unter der dünnen Schneedecke vorzog. Alle drei Hasenarten ernähren sich vor allem von Gräsern, Kräutern, Heidekraut, Beeren, Zweiglein oder Rinde, je nachdem, was es in ihrer Region so gibt, der Polarhase frisst sogar Fleisch, wenn er in einer Jäger-Falle eines findet. Unser Hase blieb einfach sitzen und knabberte weiter, als wir um die Ecke eines Felsen bogen und eigentlich ganz schön nahe bei ihm und auch nicht leise waren. Kaum hatten wir den Hasen entdeckt, verstummten wir natürlich.

Und so versammelten sich immer mehr Leute um uns, und der Hase wurde der meistfotografierte Polarhase Ostgrönlands, wahrscheinlich. Vielleicht war er solche Auftritte auch gewöhnt, so gänzlich ungerührt blieb er sitzen. Nur einmal machte er ein paar Hopser, wohl aber vor allem, um an neues Grünzeug zu kommen.

So konnten wir ihn in aller Ruhe beobachten. Das bekannteste Merkmal des Polarhasen ist sicherlich sein wechselndes Fell: Wie beim Polarfuchs ist es im Winter schneeweiß, im Sommer grau-bräunlich. Eine Ausnahme gibt es bei den Hasen in der hohen Arktis, wie beispielsweise in Ellesmere Island und in Nordgrönland, dort bleiben die Hasen das ganze Jahr über weiß, ein Fellwechsel lohnt sich vermutlich gar nicht. Männchen und Weibchen sehen gleich aus. So sind Fuchs und Hase perfekt getarnt in ihrer jeweiligen Landschaft.

Problematisch ist deswegen der Klimawandel für diese beiden Spezies: Denn wenn es immer weniger schneit, leuchten die weißen Tiere geradezu aus der bräunlichen Landschaft heraus. Der Fuchs kann sich nicht mehr unerkannt anschleichen, der Hase nicht mehr vor Raubvögeln getarnt im Gras sitzen.

Ein weiteres mit der Erwärmung einhergehendes Problem ist die Verkleinerung des Lebensraums, besonders beim Alpenschneehasen. Die Schneegrenze wandert immer weiter in die Höhe und mit ihr auch der Hase. So kann es passieren, dass immer mehr Hasenpopulationen in Hochtäler zurückweichen und somit voneinander getrennt werden – die Folge wäre dann vermehrte Inzucht, weil es nur noch wenig Hasenaustausch gibt.

Das Polarhasenweibchen bringt ein oder zweimal im Jahr zwei bis acht Jungtiere zur Welt (der Alaskahase nicht, hier gibt es nur einen Wurf im Jahr), wobei es recht lang trächtig ist, gleich acht Wochen. Die kleinen Hasen haben dann wie alle arktischen Tiere nicht viel Zeit zum Erwachsenwerden, schon nach wenigen Wochen sind sie auf sich allein gestellt.

Das Tier, das wir gesehen haben, war wohl alleine, was typisch ist für die Polarhasen, die nur selten in größeren Gruppen vorkommen. Wenn, dann sind von diesen Tieren immer einige besonders wachsam und warnen die anderen vor Feinden. Weil der Polarhase so ruhig sitzenblieb, sahen wir eine seiner besonderen Fähigkeiten nicht: Wenn er will oder muss, kann er bis zu 65 Kilometer pro Stunde schnell werden! Wir aber störten ihn nicht, und so konnte er energie- und nervensparend weiter mümmeln.

Eine sehr schöne, friedliche Beobachtung war das, bei der auch genügend Zeit blieb, in Ruhe zu fotografieren.

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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Obwohl ich in den winterlichen Alpen schon richtig viel herum gekreucht bin, habe ich hier noch nie einen Schneehasen beobachten können – das liegt vielleicht auch daran, dass der Alpenschneehase wirklich sehr selten, und auch erst ab einer Höhe von 1300 Metern vorkommt. Er ist kleiner als ein Feldhase, seine Ohren sind kürzer, dafür hat er breitere und behaarte Pfoten, seine eigenen Schneeschuhe, sozusagen, die ihm mehr Auftrieb verleihen und im Schnee gut vorankommen lassen.

Mehrmals allerdings habe ich Polarhasen in Grönland gesehen! Eine Sichtung gelang im Herbst, als die Landschaft schon wieder verschneit war. Der gänzlich weiße Hase war kaum zu erkennen und verriet sich nur durch seine schwarzen Ohrspitzen, die er hin und her bewegte. Der Hase mümmelte an der Vegetation herum, die er unter der dünnen Schneedecke vorzog. Alle drei Hasenarten ernähren sich vor allem von Gräsern, Kräutern, Heidekraut, Beeren, Zweiglein oder Rinde, je nachdem, was es in ihrer Region so gibt, der Polarhase frisst sogar Fleisch, wenn er in einer Jäger-Falle eines findet. Unser Hase blieb einfach sitzen und knabberte weiter, als wir um die Ecke eines Felsen bogen und eigentlich ganz schön nahe bei ihm und auch nicht leise waren. Kaum hatten wir den Hasen entdeckt, verstummten wir natürlich.

Und so versammelten sich immer mehr Leute um uns, und der Hase wurde der meistfotografierte Polarhase Ostgrönlands, wahrscheinlich. Vielleicht war er solche Auftritte auch gewöhnt, so gänzlich ungerührt blieb er sitzen. Nur einmal machte er ein paar Hopser, wohl aber vor allem, um an neues Grünzeug zu kommen.

So konnten wir ihn in aller Ruhe beobachten. Das bekannteste Merkmal des Polarhasen ist sicherlich sein wechselndes Fell: Wie beim Polarfuchs ist es im Winter schneeweiß, im Sommer grau-bräunlich. Eine Ausnahme gibt es bei den Hasen in der hohen Arktis, wie beispielsweise in Ellesmere Island und in Nordgrönland, dort bleiben die Hasen das ganze Jahr über weiß, ein Fellwechsel lohnt sich vermutlich gar nicht. Männchen und Weibchen sehen gleich aus. So sind Fuchs und Hase perfekt getarnt in ihrer jeweiligen Landschaft.

Problematisch ist deswegen der Klimawandel für diese beiden Spezies: Denn wenn es immer weniger schneit, leuchten die weißen Tiere geradezu aus der bräunlichen Landschaft heraus. Der Fuchs kann sich nicht mehr unerkannt anschleichen, der Hase nicht mehr vor Raubvögeln getarnt im Gras sitzen.

Ein weiteres mit der Erwärmung einhergehendes Problem ist die Verkleinerung des Lebensraums, besonders beim Alpenschneehasen. Die Schneegrenze wandert immer weiter in die Höhe und mit ihr auch der Hase. So kann es passieren, dass immer mehr Hasenpopulationen in Hochtäler zurückweichen und somit voneinander getrennt werden – die Folge wäre dann vermehrte Inzucht, weil es nur noch wenig Hasenaustausch gibt.

Das Polarhasenweibchen bringt ein oder zweimal im Jahr zwei bis acht Jungtiere zur Welt (der Alaskahase nicht, hier gibt es nur einen Wurf im Jahr), wobei es recht lang trächtig ist, gleich acht Wochen. Die kleinen Hasen haben dann wie alle arktischen Tiere nicht viel Zeit zum Erwachsenwerden, schon nach wenigen Wochen sind sie auf sich allein gestellt.

Das Tier, das wir gesehen haben, war wohl alleine, was typisch ist für die Polarhasen, die nur selten in größeren Gruppen vorkommen. Wenn, dann sind von diesen Tieren immer einige besonders wachsam und warnen die anderen vor Feinden. Weil der Polarhase so ruhig sitzenblieb, sahen wir eine seiner besonderen Fähigkeiten nicht: Wenn er will oder muss, kann er bis zu 65 Kilometer pro Stunde schnell werden! Wir aber störten ihn nicht, und so konnte er energie- und nervensparend weiter mümmeln.

Eine sehr schöne, friedliche Beobachtung war das, bei der auch genügend Zeit blieb, in Ruhe zu fotografieren.

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz