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Birgit Lutz

In ihrer Polarkolumne, die ab 2021 immer freitags auf unserer Homepage neu erscheint, schreibt die Expeditionsleiterin und Autorin Birgit Lutz über alle Themenfelder der Polarregionen - von großen Erlebnissen und kleinen Momenten auf eigenen Reisen über aktuelle Entwicklungen in Arktis und Antarktis bis hin zu praktischen Informationen für Ihre Reisevorbereitung oder Empfehlungen zur Polarliteratur.

Notizen aus dem Eis 116 | Sonnentraum auf Mingulay

Weil es in Deutschland kalt genug ist, gibt es zur Abwechslung heute keine arktische Geschichte. Sondern eine aus dem sonnigen Schottland.

Weil Schottland so schön ist, war ich 2024 wieder auf zwei Reisen auf den Inneren und Äußeren Hebriden unterwegs. Wenn man Schottland sagt, sagen viele Menschen: Regen. Sie fragen nach Mücken, Südwestern und Gummistiefeln. Und auch, was man da überhaupt will. Wenn die wüssten.

Die Wahrheit ist: Ich habe keine einzige Mücke gesehen, es hat in 14 Tagen zwei Tage geregnet, was ungefähr das genau gegenteilige Verhältnis ist, das seit meiner Rückkehr – und vor meiner Abfahrt – hier in Deutschland so herrscht, und Gummistiefel, okay, die konnte man zum Aussteigen aus dem Schlauchboot ab und an gebrauchen. Zu sonst aber nichts.

Ganz besonders zauberhaft war ein Tag auf den beiden Inselchen der Äußeren Hebriden Vatersay und Mingulay. Ganz im Süden der Äußeren Hebridenkette liegen diese beiden Eilande, Vatersay ist von Menschen bewohnt, Mingulay nur von Vögeln und vielen, vielen Kaninchen. Den Morgen über erwanderten wir uns die drei Strände von Vatersay, einer sandiger und weiter und schöner als der andere, dazwischen spazierten wir über saftige Wiesen und durch das Dörfchen, in dem man an einer kleinen Hütte Muffins und allerlei andere Süßigkeiten kaufen konnte. Wir erstanden ein paar und aßen sie am dritten Strand, den wir uns nur mit ein paar Kühen teilten, die dekorativ in der Gegend herumkäuten.

Am Nachmittag dann, Mingulay. Vielleicht ist diese Insel der europäische „The Beach“, vielleicht sollte man über solche Orte einfach gar nie schreiben und verschweigen, dass man jemals dort war, ich bin da hin und hergerissen. Denn diese Insel ist wild und zart und wunderbar. Zwischen zwei Hügeln lag einst ein Dorf, doch die Bewohner von Mingulay haben es vor mehr als hundert Jahren verlassen. Zu exponiert ist die Insel, zu sehr war man hier von den Launen der Natur abhängig, manchmal konnte monatelang kein Schiff anlanden. Kaum vorstellbar, wenn man an einem Tag wie dem unsrem hier ist, in dem das Wasser so grün und türkis und ruhig in der Bucht liegt, als fahre man direkt in eine Karibik-Tapete hinein.

Die Mingulayaner auf jeden Fall verließen ihre Insel und wollten sich auf der nächsten niederlassen, die besser erreichbar war. Und so überfielen sie die Bewohner von Vatersay und raubten und plünderten dort sich dort ein neues Zuhause zusammen. So die Geschichte, die erzählt wird. Es gibt ja keine lieblichen Geschichten in Schottland, immer scheppern Schwerter, kullern Köpfe, brennen Burgen oder alles zusammen.

Die Hügel also sind überwuchert von Gras, saftig und grün wogt es im Wind, und dazwischen ragen die schwarzen Überreste der Häuser aus den Halmen. Kaninchen wohnen jetzt darin, in jedem Haus gleich mehrere, so scheint es. Davor liegt ein weiter, wunderbar weiter Sandstrand, vor dem Robben die Köpfe aus dem Wasser recken. Auf einer Anhöhe stehen ein paar Zelte, es gibt hier einige Kletterer oder Kayaker, die von Vatersay hierher paddeln, eine durchaus anspruchsvolle Unternehmung.

Wir teilten uns auf in diesem kleinen Paradies, einige wollten nur diesen Strand und die kleinen Flüsschen darin fotografieren, andere gingen schwimmen, und ich ging mit einem Grüppchen wandern. Wir stiegen den Berg hinauf, bis wir hinüber auf die wirklich allerletzte Insel sehen konnten, auf der nur noch ein Leuchtturm steht, ein schöner, weißer. Skuas umflogen uns im Wind über dem Atlantik, wir schwitzten und waren froh um den Lufthauch.

Wir sprangen wieder hinab und freuten uns über ein paar Getränke am Strand, flugs vom Schiff herübergeholt, wann hat man zuletzt an einem solchen Ort einen Sundowner getrunken? Die Sonne aber wartete noch, bis wir wieder an Bord waren. Dann färbte sie den Himmel rot, während wir in der Bucht von Mingulay lagen und den Abend genossen, sie malte alles so kitschig rosa und das Gras noch viel grüner an, dass wir die Augen nicht mehr abwenden konnten.

Weil wir britische Besatzung an Bord hatten, wurde nun auch noch der Mingulay Boat Song gespielt, eine jener wunderbaren schottischen Melodeien, die gleich ein paar Tränen bei ein paar Gästen auslösten, weil alles so wunderbar war.

Und damit nicht genug, versammelten sich nun, im allerletzten Licht, genau in der Mitte des Strands, um die fünfzig Robben im Sand, die auch noch sangen. Sie pfiffen und johlten vor sich hin, und wir lauschten und staunten und waren still, um uns plätscherte nur das Wasser an die Bordwand.

Das war der Zauber von Mingulay, ihre Sonne füllt mich heute noch an, nach all dem Hochwasser und all der Regenzeit, so wundervoll war dieser Abend.

Aber erzählt es nicht weiter. Wenn jemand Schottland hört und sagt: ach, Regen, Mücken, Gummistiefel, dann lächelt einfach nur.

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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Die Wahrheit ist: Ich habe keine einzige Mücke gesehen, es hat in 14 Tagen zwei Tage geregnet, was ungefähr das genau gegenteilige Verhältnis ist, das seit meiner Rückkehr – und vor meiner Abfahrt – hier in Deutschland so herrscht, und Gummistiefel, okay, die konnte man zum Aussteigen aus dem Schlauchboot ab und an gebrauchen. Zu sonst aber nichts.

Ganz besonders zauberhaft war ein Tag auf den beiden Inselchen der Äußeren Hebriden Vatersay und Mingulay. Ganz im Süden der Äußeren Hebridenkette liegen diese beiden Eilande, Vatersay ist von Menschen bewohnt, Mingulay nur von Vögeln und vielen, vielen Kaninchen. Den Morgen über erwanderten wir uns die drei Strände von Vatersay, einer sandiger und weiter und schöner als der andere, dazwischen spazierten wir über saftige Wiesen und durch das Dörfchen, in dem man an einer kleinen Hütte Muffins und allerlei andere Süßigkeiten kaufen konnte. Wir erstanden ein paar und aßen sie am dritten Strand, den wir uns nur mit ein paar Kühen teilten, die dekorativ in der Gegend herumkäuten.

Am Nachmittag dann, Mingulay. Vielleicht ist diese Insel der europäische „The Beach“, vielleicht sollte man über solche Orte einfach gar nie schreiben und verschweigen, dass man jemals dort war, ich bin da hin und hergerissen. Denn diese Insel ist wild und zart und wunderbar. Zwischen zwei Hügeln lag einst ein Dorf, doch die Bewohner von Mingulay haben es vor mehr als hundert Jahren verlassen. Zu exponiert ist die Insel, zu sehr war man hier von den Launen der Natur abhängig, manchmal konnte monatelang kein Schiff anlanden. Kaum vorstellbar, wenn man an einem Tag wie dem unsrem hier ist, in dem das Wasser so grün und türkis und ruhig in der Bucht liegt, als fahre man direkt in eine Karibik-Tapete hinein.

Die Mingulayaner auf jeden Fall verließen ihre Insel und wollten sich auf der nächsten niederlassen, die besser erreichbar war. Und so überfielen sie die Bewohner von Vatersay und raubten und plünderten dort sich dort ein neues Zuhause zusammen. So die Geschichte, die erzählt wird. Es gibt ja keine lieblichen Geschichten in Schottland, immer scheppern Schwerter, kullern Köpfe, brennen Burgen oder alles zusammen.

Die Hügel also sind überwuchert von Gras, saftig und grün wogt es im Wind, und dazwischen ragen die schwarzen Überreste der Häuser aus den Halmen. Kaninchen wohnen jetzt darin, in jedem Haus gleich mehrere, so scheint es. Davor liegt ein weiter, wunderbar weiter Sandstrand, vor dem Robben die Köpfe aus dem Wasser recken. Auf einer Anhöhe stehen ein paar Zelte, es gibt hier einige Kletterer oder Kayaker, die von Vatersay hierher paddeln, eine durchaus anspruchsvolle Unternehmung.

Wir teilten uns auf in diesem kleinen Paradies, einige wollten nur diesen Strand und die kleinen Flüsschen darin fotografieren, andere gingen schwimmen, und ich ging mit einem Grüppchen wandern. Wir stiegen den Berg hinauf, bis wir hinüber auf die wirklich allerletzte Insel sehen konnten, auf der nur noch ein Leuchtturm steht, ein schöner, weißer. Skuas umflogen uns im Wind über dem Atlantik, wir schwitzten und waren froh um den Lufthauch.

Wir sprangen wieder hinab und freuten uns über ein paar Getränke am Strand, flugs vom Schiff herübergeholt, wann hat man zuletzt an einem solchen Ort einen Sundowner getrunken? Die Sonne aber wartete noch, bis wir wieder an Bord waren. Dann färbte sie den Himmel rot, während wir in der Bucht von Mingulay lagen und den Abend genossen, sie malte alles so kitschig rosa und das Gras noch viel grüner an, dass wir die Augen nicht mehr abwenden konnten.

Weil wir britische Besatzung an Bord hatten, wurde nun auch noch der Mingulay Boat Song gespielt, eine jener wunderbaren schottischen Melodeien, die gleich ein paar Tränen bei ein paar Gästen auslösten, weil alles so wunderbar war.

Und damit nicht genug, versammelten sich nun, im allerletzten Licht, genau in der Mitte des Strands, um die fünfzig Robben im Sand, die auch noch sangen. Sie pfiffen und johlten vor sich hin, und wir lauschten und staunten und waren still, um uns plätscherte nur das Wasser an die Bordwand.

Das war der Zauber von Mingulay, ihre Sonne füllt mich heute noch an, nach all dem Hochwasser und all der Regenzeit, so wundervoll war dieser Abend.

Aber erzählt es nicht weiter. Wenn jemand Schottland hört und sagt: ach, Regen, Mücken, Gummistiefel, dann lächelt einfach nur.

Bis in zwei Wochen!

Eure
Birgit Lutz

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